Als am Montag die letzten Szenen über den Bildschirm flimmerten und sich der „Club“ um das Grab von Leo versammelte, waren sicherlich viele Zuschauerinnen und Zuschauer in Tränen aufgelöst. Auch ich.
Wenn die letzten Meter meiner Meinung nach vielleicht stellenweise zu theatralisch wirkten, war es für alle Fans auch ein Abschied von vielen Folgen einer der besten Serien, die jemals nach einer wahren Begebenheit gedreht wurde. Und ich hoffte so sehr, Benito holt Leo ab, das wäre echt mein Wunsch gewesen.
Ich spreche sicherlich nicht nur für mich, wenn ich behaupte, dass man beim Zuschauen auch automatisch an Schicksale aus den eigenen Reihen der Familie, Freunde und Bekannten dachte. Der Tod oder die schwere Erkrankung eines Menschen den wir kannten/kennen, und dessen Geschichte uns auch nach langer, langer Zeit noch nicht loslässt. Wenn überhaupt. Das habe ich am Montag bemerkt, als sich die Bilder auf VOX mit meinen Erinnerungen vermischten. Wahrscheinlich war auch das ein Teil des Erfolges dieser Serie: Es war aus dem Leben gegriffen.
Auch Schauspielern fiel der Abschied schwer
Manchmal, wenn man selbst nicht so auf der Höhe war, warum auch immer, war das schauen vom Club der roten Bänder anstrengend, bzw. blieb an diesen Tagen der Fernseher aus oder es wurde ein anderes Programm geschaut. Die Serie war harte Kost, welche man nicht immer verdauen konnte. Ganz zart besaitete Menschen taten sich sicherlich schwer. Einige meiner Bekannten haben es nie geschaut, weil ihnen die Erzählungen schon Angst machten. Wie im wahren Leben auch, verarbeiten wir solche Dinge sehr unterschiedlich. Der eine kann sich gut distanzieren, die andere geht am Leid Außenstehender kaputt.
Anhand der Interviews und den Statements der Schauspieler hinterher konnten wir alle erahnen, wie sehr sie mit ihrer Rolle verwachsen waren, und wie schwer auch für sie das Abdrehen bestimmter Szenen war. Die Tränen von Luise Befort haben mich unheimlich gerührt nach dem finalen Schlussstrich. Man ahnte, wie sehr die drei Jahre des Drehens und der Kontakt zu den anderen Schauspielern/dem Team zusammengeschweißt haben. Und dass auch ihr der Abschied schwer fiel, vielleicht auch das ein oder andere „verarbeiten“ müssen. Man muss bedenken, es waren recht junge Schauspielerinnen und Schauspieler, welche harte Kost umsetzen mussten.
„Ich konnte mich nicht trennen“
Als sich die Crew um das Aufnahmeteam beim Dreh auf dem Friedhof wegdrehte, damit die Schauspieler unbeobachtet den „Schluss-Akkord“ spielen konnten, fand ich dieses sehr beeindruckend.
Die Reportage danach war nicht weniger heftig. Ich wollte ins Bett, konnte mich aber von den Menschen und Geschichten nicht trennen. Weil man auf Personen traf, die dem Tod nahe waren oder sind. Das wirkt so surreal.
Die Begegnung des jungen Mädchens Rinah, 15 Jahre alt, mit ihrer Mama und ihrer Schwester mit genau der Frau, die ihr Stammzellen spendete und so für ihre Gesundung sorgte, war ebenfalls ein Gänsehautmoment. Generell gleicht es beinahe einem kleinen Wunder, wenn genetische Zwillinge ihrem anderen Zwilling das Leben schenken, auch über Kontinente hinweg. Diese Menschen sind sich nie begegnet und wären sich sicherlich nie begegnet, gäbe es die Datenbank nicht.
Es trifft nicht nur die anderen
Am Fall der Viola, welche anscheinend nicht mehr gesund wird, wurde deutlich, was es für die Angehörigen bedeutet. In diesem Fall für die Mutter. Während die kranke Tochter beinahe alles ohne Zensur bespricht und ausspricht, auch darüber bloggt, ist die Mutter eher die, die sich damit anscheinend teilweise überfordert fühlt.
Mit dem Schicksal gehen wir alle absolut unterschiedlich um, und deshalb fällt das „miteinander arrangieren“ sicherlich oft schwer. Auf Blogger, welche über ihre Krankheiten offen sprechen, trifft man oft in den sozialen Netzwerken. Wiederum andere sprechen so gut wie nie über ihre Erkrankung.
Wir meinen oft, dass es immer nur andere trifft, nicht uns und auch nicht unsere Liebsten. Weit gefehlt. Man kann nichts tun, selten helfen, man steht hilflos und erschüttert daneben. Man weiß nicht, wie man sich verhalten soll. Gerade dieses „nicht ändern können“ macht uns so ohnmächtig.
„Darsteller waren uns schnell ans Herz gewachsen“
Beim Club der roten Bänder hatte man oft das Verlangen, imaginär das Drehbuch ändern zu wollen. Die Darsteller waren uns schnell ans Herz gewachsen, man litt mit. Wie der kleine Hugo aus der Nachbarschaft und die Emma aus dem Sportverein.
Dieses Sendeformat hat einen großen Teil der Zuschauer auf dem emotionalen Fuß erwischt. Was eigentlich ein positives Zeichen ist in unserer schnelllebigen, digitalisierten Welt. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass VOX es schafft, montags so viele Menschen vor dem Fernseher zu versammeln, die schon vor 20.15 Uhr die Taschentücher in die Sofaritze steckten. Weil sie wussten, dass man sie brauchen wird.
Krebs ist ein unfairer, mieser Gegner
Abschließend ziehe ich schon seit recht langer Zeit meinen Hut vor den Frauen und Männern, welche es sich zur Aufgabe machen, für diese Menschen da zu sein. Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger, ehrenamtliche Damen und Herren im Hospiz, die Angestellten der Kinderkrebs-Stationen usw. Wie sagte eine Onkologin erst vor ein paar Tagen in einem Interview ihren Job betreffend, in dem sie vielen Menschen dramatische Nachrichten mitteilen muss:
Wichtig ist, dass man den Menschen die Wahrheit wie einen Mantel hinhält – so, dass sie nur noch hereinschlüpfen müssen.
Wie man kann all das ertragen Tag für Tag. Es ist mir persönlich ein Rätsel. Auch Feuerwehrleute, Rettungssanitäterinnen, welche Tag und Nacht genau dann an Ort und Stelle sind, wenn das Schicksal zuschlägt. Die Schlimmeres verhindern, für die Betroffenen da sind, das Übel abzuwenden versuchen und es oft schaffen. Auch dann, wenn sie selbst an ihre Grenzen kommen.
Nicht nur Krebs ist ein unfairer, mieser Gegner. So wie viele andere Krankheiten auch, das Schicksal inbegriffen, welche(s) dem Kampf und den Menschen von vorneherein keine Chance geben.