Tagebücher – Selbstreflexion nach über 35 Jahren.

(Quelle Bild: Pixabay/Pexels)

Ich musste vorletzte Woche einen Blick in mein Tagebuch werfen, es ging quasi um die Aufklärung eines Sachverhaltes. Das Ding war so gut versteckt, dass ich stundenlang mit der Suche beschäftigt war. Dann lag es in meinen Händen und ich musste erstmal total viel lesen bis ich zur brisanten Stelle kam. Das Sachverhalt konnte geklärt werden, aber das nur am Rande.

Natürlich habe ich weitergelesen und weitergelesen und weitergelesen. Und kam zu der Erkenntnis, dass ich damals in den 80er Jahren sicherlich nicht mit mir befreundet sein wollte. Meine Eintragungen waren schwermütig, total überdramatisiert und irgendwie hatte mich scheinbar jeden Tag der Weltschmerz gepackt. Furchtbar! Ich konnte beim lesen mein Jaulen von damals hören. Obwohl ich nichts auszustehen hatte. Aber gut, Mitte der 80er Jahre muss mich die Pupertät heimgesucht haben. So wäre das Genassel jedenfalls zu erklären.

Ich durfte die Tage ein Gespräch verfolgen zwischen Vater und Tochter. Da ging es auch um Tagebücher. Der Vater hatte nämlich auch eins geführt. Was mich schwer beeindruckte. Ich dachte immer das ist „Mädchenkram“. Jedenfalls hatte der Vater seiner Tochter aus seinem Tagebuch hin und wieder vorgelesen. Damals, als sie noch klein war. Ich meine mich zu erinnern, dass er das immer tat wenn sie krank war.

Als er dann erzählte, dass er viele Passagen überspringen musste, stieg in mir schon ein kleiner Lachkrampf hoch. Weil ich mir so gut vorstellen konnte welche Episoden man vor den Kindern besser verheimlicht.

Als die Tochter dann anmerkte, dass sie das total grausam fand, also das Vorlesen aus dem Tagebuch des Vaters vom selbigen, da ging mein Kopfkino an. Zum einen fand ich das total rührend, aber auch zum schmunzeln.

Ich könnte niemandem, wirklich niemandem, aus meinem Tagebuch vorlesen. Weder meinem Kind noch dem Rest der Familie, auch nicht meinem Bankberater oder Hausarzt. Weil die wahrscheinlich alle kopfschüttelnd und heulend vor mit sitzen würden. Ich hatte schon mit 13 Jahren einen Hang zur Theatralik und war dem Schreiben wohl in diesen jungen Jahren schon zugewandt.

Es ging viel um Jungs, um meine grottenschlechte Quote so beziehungstechnisch. Und um Balladen. Ich habe immer auch die Musik in meinem Tagebuch verewigt. Das waren Songs bei denen ich mir heute, wenn sie im Radio laufen, nach 10 Sekunden 4 Lagen Küchenrolle auf Augen und Nase dücken muss weil die so traurig sind.

Was mich beim nochmaligen lesen wunderte war die Tatsache, dass ich mich scheinbar auf Knopfdruck ver- und auch entlieben konnte. Wie am Fließband. Wollte der eine nicht, war der nächste schon auf der Agenda. Ich musste mittendrin so lachen.

Wenn dieses Tagebuch jemand findet, dann bin ich geliefert. Ich werde es wahrscheinlich irgendwann mal verbrennen. Damit im nachhinein keiner denkt:

„Komisch war sie ja schon immer, aber das schlägt dem Fass den Boden aus!“

Es gab aber auch positive Einträge: Wenn es um Essen ging oder Schlafen. Beim lesen enstand der Eindruck ich habe die Schule noch hinbekommen, danach habe ich geschlafen. Bis zum Essen. Irgendwann mittendrin habe ich mich verliebt. Danach wurde wieder geschlafen. Bis zum Essen. Und so weiter und so fort. Ein Teufelskreis. ^^

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