Von 70 Kilometern, dem falschen Fahrschein und einem total motivierten Absaugvorgang.

(Quelle Bild: Steffi Werner/Bahnhof Uslar)

Es gibt ja so Tage, da fragt man sich gegen Mittag schon ob diese Tage nicht eigentlich weg können. Heute war es so und gestern auch.

Beginnen wir aber von vorne:

Mein Gehör hatte mich mal wieder total hängen lassen, seit letztem Samstag war auf dem linken Lauschlappen quasi die Nulllinie.

Wenn ich Leute nicht wahrnehme weil sie mich grüßten oder angesprochen hatten, dann ahnten viele schon, dass ich wieder etwas hörgeschädigt bin. Das geht ja schon seit Jahren so. Man kennt das hier.

Also habe ich mir gestern einen Termin bei einem HNO-Arzt knapp 35 km entfernt von hier geben lassen und bin per Zug angereist. Mit wenig Gehör viel Strecke ist jetzt nicht so das gelbe vom Ei im PKW. Ich habe nicht mal mehr das Geräusch von den Blinkern gehört.

Gestern Abend ging es dann im Regen noch schnell zum Bahnhof, Fahrpläne ausgedruckt und versucht eine Fahrkarte zu ziehen an diesem Apparatismus.

Mich schreckte ein Hupen hoch und jemand rief:

„Frau Nachbarin, das gibt aber Abzüge in der B-Note!“

Es war mein Nachbar, Mario, der bekannteste Busfahrer hier im Ort. Ich hatte die Einflugschneise zugeparkt. Im Schweinsgalopp zum Auto, fünf Meter die Karre vor gekachelt, den Mario samt Bus die Kurve nehmen lassen und wieder im Schweinsgalopp zurück zum Apparatismus.

Die Dinger reagieren ja über Touchscreen. Gut, gestern Abend jetzt nicht so lückenlos, ich habe mir einen Wolf gescreent mit dem rechten Zeigefinger. Hinter mir stand ein junger Mann. Der hatte Zeitdruck weil sein Zug kurz vor der Einfahrt war. Also hatte ich ihm den Vortritt gelassen. Das wurde wiederum belohnt durch seiner Mithilfe bei meiner Klickerei durch das Menü. Gut, wir hatten alles gefunden, gemeinsam eine Tageskarte gezogen und so. Mich störte nach diesem Erfolgserlebnis auch nicht das komplett durchtränkte und sich schon kringelnde Haupthaar. Das sieht ja keiner. Außer, der Mario muss nochmal die Kurve nehmen und kommt zurück 😉

So stand ich heute gekämmt und gewaschen am Bahnhof, voller Vorfreude auf den mir noch unbekannten Trommelfell-Reiniger. Ich war extrem entspannt als der Kontrolleur durch war und meine Tageskarte abgeknipst hatte. Während ich durch das Fenster schaute und gerade nochmal bei Maps nachschauen wollte in welche Richtung ich ab dem Bahnhof die 1,6 km latschen muss, kam der Kontrolleur wieder.

Ob er nochmal die Karte sehen darf.

Da stimmte was nicht.

Siegessicher zog ich die Karte, mit einem fast schon arroganten Lächeln auf den Lippen.

Dann kam die knallharte Wahrheit:

Ich hatte gestern eine Tageskarte für gestern gekauft, nicht für heute.

Obwohl ich ja gestern nur wissen wollte wie der Fahrplan heute ausschaut. Und einen Fahrschein ebenfalls für heute mein Eigen nennen wollte.

Dumm gelaufen.

Ich habe mich 1000x entschuldigt. Mir war das echt saupeinlich. Es gab zwei Optionen: 60 Euro Strafe oder eine neue Tageskarte. Der gute Mann entschied sich für die neue Tageskarte. Und zum Glück hatte ich ein paar Euronen mehr dabei. Meist schlummert in meiner Geldbörse nur Bargeld in Höhe von ca. 2,38 Euro. Dafür aber Pfandbons in Höhe von 14,75 Euro. Die hätte der Kontrolleur aber sicherlich nicht gegenrechnen können.

Die Rückfahrt verlief dann glatt, ich konnte nach diversen Reinigungs- und Absaugverfahren wieder total gut hören. Aber es schwang die Angst mit, dass ich einen Fahrschein habe von vorgestern für die Strecke Hamburg-München.

Und eines sei gewiss: Noch nie, aber wirklich noch nie, hat mich ein HNO-Arzt beim säubern meiner Lauscher dermaßen motiviert wie der gute Mann heute. Es war bezaubernd.

Mittendrin wollte ich immer rufen:

„Jaaaaa, ich schaffe das! Tschakka!“

Ich war heute 70 km unterwegs, für eigentlich 17 Euro und noch was. Eigentlich war ich aber 140 km unterwegs für knapp 35 Euro und noch was. So rein rechnerisch gesehen.

Aber egal, ich höre wieder die Regenwürmer husten. So geil. ^^

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